25.10.2019 - 21.12.2019
Georg Kargl Fine Arts, Wien
Thomas Locher und Willem De Rooij beschäftigen sich in "Modern Alibis" mit der Veränderung der ästhetischen und gesellschaftlichen Praxis der Wissensproduktion. In wie weit beinhalten Bilder und sprachliche Zeichen bereits ihre eigenen Vektoren zur Auslegung?
Inwiefern beeinflusst die zeitgenössische Medialität von Information das Verhältnis von Sender und Empfänger, von Subjekt und Objekt? Informationsästhetische Ansätze und die Auseinandersetzung mit materialimmanenter Bedeutungsproduktion tragen wesentlich zu den Überlegungen der beiden Künstler über unterschiedliche Formen des Wissenstransfers bei. Autonomie und Agenda von Sprache, Bild und dem Kunstwerk als heuristischem Werkzeug zur Betrachtung der Welt stehen hier auf dem Prüfstand.
Thomas Locher, ein bahnbrechender deutscher Künstler im Bereich der neokonzeptuellen Kunst, erlangte mit seinen raumbezogenen Textarbeiten und Installationen internationales Renommee. Er befasst sich seit vielen Jahren konsequent mit Grundlagen wie der grammatikalischen Ordnung der Sprache und der Komplexität ihrer Funktionsweise in Rechtstexten oder Wirtschaftswissenschaften, Grundlagen, die als dauerhaft erscheinen, aber dennoch einen Teil der Fiktion enthalten. Seine Auseinandersetzung mit Bedeutungssystemen erstreckt sich auch auf deren Inhalt, insbesondere auf die politischen Implikationen und die praktischen Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit von Individuen und Gruppen. Wenn wir über Thomas Lochers Werke sprechen, sind wir versucht, der Konzeptualität der ihnen zugrunde liegenden Theorien zu folgen. Seine Arbeiten stellen jedoch weder eine sprachliche oder soziologische Forschung dar, noch sind sie Theorien, die ins Bild gesetzt werden. Sie stehen als Kunstwerke, als ästhetische Einheiten für sich, ihr konsequentes Design, auf den ersten Blick nüchtern, auf den zweiten in Ironie getränkt, erlaubt es uns, seinen Überlegungen ohne Bezug auf Theorien zu folgen. In seinen textbasierten Objekten und Installationen untersucht Thomas Locher künstlerisch das Subjekt der Sprache, das Subjekt der Menschenrechte, jenes der Ökonomie und das staatsbürgerliche Subjekt. Ausgehend von einem entfremdeten und ungleichen Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt widmen sich die neuen Arbeiten der Wörtlichkeit des Buchstabens. In ihnen geht es um eine Subjektivität, die in den niedersten Formen des Dings enthalten ist.
Thomas Locher stellt seit den 1980er Jahren international aus; seine Arbeiten sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Seit 2017 ist er Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, lehrte von 2008 bis 2016 an der Royal Danish Academy Copenhagen und ist Mentor bei Berlin Program for Artists.
Willem de Rooij stellt seit 2009 handgewebte, abstrakte Wandteppiche her. Das Zusammenspiel von Kette und Schuss, das Gewebe, die Spannung, die Materialität und Dicke der Fäden, ihre Farben und Texturen sind für diese Arbeiten von entscheidender Bedeutung. Die Tatsache, dass sie an Wänden angebracht sind, erschwert die Kategorisierung: textile Kompositionen oder Bildobjekte? Ein kompliziertes visuelles Dilemma, das de Rooijs vielfältige Ästhetik widerspiegelt und sich auf die Frage der Bildhaftigkeit konzentriert. Obwohl man trotz dieses Ausrutschens versucht ist, sie als de Rooijs Version von "Bildern" in einem Oeuvre zu lesen, das historisch hauptsächlich aus filmischen und objektbasierten Werken bestand; die Webereien zielen darauf ab, Bedeutung durch das Material zu erzeugen, aus dem sie bestehen, nicht durch externe Referenzen. Diese Arbeiten sind nicht etwa aus einem besonderen Interesse an Textilien oder handwerklichen Fertigkeiten entstanden, sondern sind eingebettet in eine facettenreiche Praxis, die seit über zwei Jahrzehnten die Konventionen der Darstellung und Repräsentation analysiert und die Spannung zwischen politisch engagierter und autonomer Bildproduktion bewertet. De Rooijs Webmuster sind in einer relativ geringen Anzahl von Farben, Formaten und Größen aufgebaut - zusammen bilden sie eine ständig wachsende Syntax oder ein Ordnungsprinzip. Die drei in Modern Alibis gezeigten Webereien bestehen jeweils aus einer Mischung der Farben Rosa, Braun und Gelb, und die kleine Blumenanordnung, die diese Werkreihe ergänzt, soll diese spezielle Palette imitieren. Bouquet XV ist Teil einer Reihe von visuell komplexen, monumentalen Blumenskulpturen, die im Jahr 2002 begonnen haben. Auf einer Ebene laden diese Bouquets zum unmittelbaren sinnlichen Erleben ein, aber die sorgfältige Auswahl und Gruppierung einzelner Blüten kann auch auf abstrakte Begriffe wie hinweisen Vielfalt oder die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Kollektiv.
Willem de Rooij untersucht die Produktion, Kontextualisierung und Interpretation von Bildern durch eine Vielzahl von Medien. Aneignungen und Kooperationen sind für de Rooijs künstlerische Methode von grundlegender Bedeutung und seine Projekte haben neue Forschungen in Kunstgeschichte und Ethnographie angeregt. De Rooij studierte Kunstgeschichte an der Universität Amsterdam und Kunst an der Gerrit Rietveld Academie und der Rijksakademie in Amsterdam. Mit Jeroen de Rijke (1970-2006) vertrat er die Niederlande auf der Biennale von Venedig (2005). Ihre gemeinsamen Arbeiten befinden sich in den Sammlungen des Stedelijk Museum (Amsterdam), des Centre Pompidou (Paris) und des MOMA (New York). De Rooij unterrichtet seit den späten 1990er Jahren weltweit Kunst. Seit 2006 ist er Professor für Bildende Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main und seit 2015 Gastreferent an der Rijksakademie. 2016 war er Mitbegründer des Künstlerprogramms BPA // Berlin (Foto: Thomas Locher, Lumpenalphabet (A), 2019, courtesy Georg Kargl Fine Arts and the artists, Foto © kunst-dokumentation.com).
Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff
Paulinenstr. 47
D – 70178 Stuttgart
Opening Hours:
Tuesday – Friday: 1 – 6 p.m.
and by appointment
Winter Break:
The gallery is closed from 21.12.2024 until 07.01.2025