“Les Indes Galantes” with Clément Cogitore

26.09.2019 - 15.10.2019

Pre-Opening: Thursday, September 26th, 2019, 7:30 pm and Opening: Friday, September 27th, 2019, 7:30 pm

Opéra National de Paris, Opéra Bastille, Paris

Der Klassik-Blog: “Klassik begeistert: Kann man Liebe tanzen? Der Pariser Oper gelingt mit einer gewagten Inszenierung von Rameaus "Les Indes galantes" eine Sensation”
Auch mit der dritten Premiere dieser Spielzeit sorgt die Pariser Oper für Jubelschreie beim Publikum. Nachdem die Saisoneröffnung durch Bellinis „I Puritani“ sowohl von Publikum als auch von Kritikern fast einhellig als gelungen bewertet wurde und eine digitalisierte „Traviata“ mit grandiosen Stimmen zum Stadtgespräch avancierte, konnten die Pariser Opernschaffenden noch eine Schippe drauflegen: Mit einer gewagten Neuinszenierung von Rameaus Ballettoper „Les Indes galantes“ gelang der große Wurf.
Wer wusste, um wen es sich bei Clément Cogitore handelte, war klar, worauf er sich einließ. Der noch junge, aber schon vielfach preisgekrönte Videokünstler sorgte bereits vor zwei Jahren für Furore, als er in Kooperation mit der Pariser Oper eine Gruppe von Hip-Hop-Tänzern zu einer Suite von Rameau tanzen ließ. An dieses Projekt knüpfte der Regisseur bei seinem Regiedebüt mit Rameaus „Les Indes galantes“ an und servierte dem Publikum ein Kompott der Kontraste: Leichte Menuette und Breakdance, die elegante Anmut barocker Tänze und die düstere Atmosphäre Pariser Vororte, Liebesarien in Ekstase und Polizeigewalt auf der Bühne.

Mit einem solchen gewagten Konzept kann man auch schnell Schiffbruch erleiden. Artifizielle und krampfhafte Aktualisierungen des Opernrepertoires sind keine Seltenheit. Und so war die Aufführung auch zwischenzeitlich kurz davor, ins Groteske zu kippen: So beispielsweise, als der hilflos herumtanzende Chor an ein billiges amerikanisches Musical erinnerte oder die zurückhaltende und intime Orchestrierung Rameaus fast vollständig unter dem Spektakel auf der Bühne zu ersticken drohte.

Am Ende ging das Konzept des Regisseurs jedoch auf und fügte sich nahezu nahtlos in Handlung und Musik des Werkes ein. Es bietet sich eben doch an, eine barocke Ballettoper mit verschiedenen Tanzstilen, sei es Hip-Hop, Ballett oder modernem Ausdruckstanz, zu kombinieren. Und auch das Sujet der Oper, verschiedene Liebeskonstellationen im Orient und Südamerika, lädt zu Reflexionen über gesellschaftliche Fragen ein, deren Aktualität im Schmelztiegel Paris täglich sichtbar ist.
Auch das Sängerensemble sorgte durch gute bis herausragende Leistungen für eine erfolgreiche Premiere. Dabei war angesichts der besonderen Anlage der Oper von fünf zusammenhangslosen Episoden ein bunter Maskenwechsel gefragt, sodass jedes Ensemblemitglied in bis zu drei verschiedenen Rollen zu hören war.
Eine besondere Sternstunde erlebte der Besucher mit der Sopranistin Sabine Devieilhe. Gleich zu Beginn des Stückes ließ sie mit ihrem messerscharfen, glasklaren und präzisen Klang bis in die obersten Reihen des übergroßen Saales der Oper am Platz der Bastille aufhorchen. Dabei gelang es ihr, die sonst so kühl anmutenden, grauen Wände des Hauses in ein angenehmes Licht zu tauchen, das von ihrer warmen und hellen Stimme ausging.

Ebenso Judie Devos könnte als personifizierte Liebe mit ihrem Sopran überzeugen. Graziös und gravitätisch füllte sie ihre Rolle aus. Florian Sempey hatte sichtlich Schwierigkeiten, sich mit seinem Bariton gegenüber seinen starken Gesangspartnerinnen zu behaupten. Folglich blieb er eher farblos und blass.

Ein weiteres Highlight war der wunderschöne, samtene Tenor von Mathias Vidal, der seine Rollen perfekt auszufüllen wusste. Besonders im Ensemble schmiegte sich sein weiches Timbre reibungslos an die Stimmen seiner Partner an. Allein die zum Teil leicht übertriebene und überdeutliche Artikulation trübte seine sehr gute Leistung.
Gemeinsam mit Vidal harmonierten der Bass-Bariton Edwin Corssley-Mercer und der Sopran von Julia Fuchs hervorragend. Besonders Crossley-Mercer konnte sich in die Herzen des Publikums singen und wurde mit besonders starkem Applaus bedacht. Das ist angesichts seines charismatischen Auftretens und seiner musikalisch präzisen und couragierten Leistung verständlich. Fuchs hatte sichtlich Probleme, sich im Ensemble mit ihren herausragenden Kollegen zu behaupten. Doch in den Solopartien, die nur von Tanz begleitet waren, offenbarte sie ihre Klasse: Zerbrechlich-zart, lieblich und feinfühlig intonierte sie Liebesleid und Agonie.
Alexandre Duhamel konnte durch seinen breiten, kernigen und herzhaften Bariton überzeugen. Besonders ergreifend und berührend wirkte das Zwiegespräch zwischen ihm in der Rolle als Huascar und dem makellos eingestellten Chor im zweiten Aufzug („Clair flambeau du monde“).
Die Sänger teilten die Bühne selbstlos mit den Tänzern der Tanzformation Ensemble Rualité (Choreografie: Bintou Dembélé), die die heimlichen Hauptdarsteller des Abends waren. Mehr als einmal durfte der Zuschauer atemlos mit ansehen, wie der bewegte Körper gemeinsam mit dem großartigen Gesang der Musik unbekannte Tiefen und Facetten abringen konnte. Unbestrittener Höhepunkt war ohne Zweifel die überkomplexe und explosive Choreografie zum Ende der Oper (Les Sauvages), die nicht nur das Publikum zu einem mehrminütigen Applaus animierte, sondern auch den Dirigenten, Leonardo García Alarcón, zu Respektsbekundungen hinreißen ließ.


(Text: Lukas Baake, Foto: BBC: Der Klassik-Blog: “Klassik begeistert: Kann man Liebe tanzen? Der Pariser Oper gelingt mit einer gewagten Inszenierung von Rameaus "Les Indes galantes" eine Sensation”
Auch mit der dritten Premiere dieser Spielzeit sorgt die Pariser Oper für Jubelschreie beim Publikum. Nachdem die Saisoneröffnung durch Bellinis „I Puritani“ sowohl von Publikum als auch von Kritikern fast einhellig als gelungen bewertet wurde und eine digitalisierte „Traviata“ mit grandiosen Stimmen zum Stadtgespräch avancierte, konnten die Pariser Opernschaffenden noch eine Schippe drauflegen: Mit einer gewagten Neuinszenierung von Rameaus Ballettoper „Les Indes galantes“ gelang der große Wurf.
Wer wusste, um wen es sich bei Clément Cogitore handelte, war klar, worauf er sich einließ. Der noch junge, aber schon vielfach preisgekrönte Videokünstler sorgte bereits vor zwei Jahren für Furore, als er in Kooperation mit der Pariser Oper eine Gruppe von Hip-Hop-Tänzern zu einer Suite von Rameau tanzen ließ. An dieses Projekt knüpfte der Regisseur bei seinem Regiedebüt mit Rameaus „Les Indes galantes“ an und servierte dem Publikum ein Kompott der Kontraste: Leichte Menuette und Breakdance, die elegante Anmut barocker Tänze und die düstere Atmosphäre Pariser Vororte, Liebesarien in Ekstase und Polizeigewalt auf der Bühne.

Mit einem solchen gewagten Konzept kann man auch schnell Schiffbruch erleiden. Artifizielle und krampfhafte Aktualisierungen des Opernrepertoires sind keine Seltenheit. Und so war die Aufführung auch zwischenzeitlich kurz davor, ins Groteske zu kippen: So beispielsweise, als der hilflos herumtanzende Chor an ein billiges amerikanisches Musical erinnerte oder die zurückhaltende und intime Orchestrierung Rameaus fast vollständig unter dem Spektakel auf der Bühne zu ersticken drohte.

Am Ende ging das Konzept des Regisseurs jedoch auf und fügte sich nahezu nahtlos in Handlung und Musik des Werkes ein. Es bietet sich eben doch an, eine barocke Ballettoper mit verschiedenen Tanzstilen, sei es Hip-Hop, Ballett oder modernem Ausdruckstanz, zu kombinieren. Und auch das Sujet der Oper, verschiedene Liebeskonstellationen im Orient und Südamerika, lädt zu Reflexionen über gesellschaftliche Fragen ein, deren Aktualität im Schmelztiegel Paris täglich sichtbar ist.
Auch das Sängerensemble sorgte durch gute bis herausragende Leistungen für eine erfolgreiche Premiere. Dabei war angesichts der besonderen Anlage der Oper von fünf zusammenhangslosen Episoden ein bunter Maskenwechsel gefragt, sodass jedes Ensemblemitglied in bis zu drei verschiedenen Rollen zu hören war.
Eine besondere Sternstunde erlebte der Besucher mit der Sopranistin Sabine Devieilhe. Gleich zu Beginn des Stückes ließ sie mit ihrem messerscharfen, glasklaren und präzisen Klang bis in die obersten Reihen des übergroßen Saales der Oper am Platz der Bastille aufhorchen. Dabei gelang es ihr, die sonst so kühl anmutenden, grauen Wände des Hauses in ein angenehmes Licht zu tauchen, das von ihrer warmen und hellen Stimme ausging.

Ebenso Judie Devos könnte als personifizierte Liebe mit ihrem Sopran überzeugen. Graziös und gravitätisch füllte sie ihre Rolle aus. Florian Sempey hatte sichtlich Schwierigkeiten, sich mit seinem Bariton gegenüber seinen starken Gesangspartnerinnen zu behaupten. Folglich blieb er eher farblos und blass.

Ein weiteres Highlight war der wunderschöne, samtene Tenor von Mathias Vidal, der seine Rollen perfekt auszufüllen wusste. Besonders im Ensemble schmiegte sich sein weiches Timbre reibungslos an die Stimmen seiner Partner an. Allein die zum Teil leicht übertriebene und überdeutliche Artikulation trübte seine sehr gute Leistung.
Gemeinsam mit Vidal harmonierten der Bass-Bariton Edwin Corssley-Mercer und der Sopran von Julia Fuchs hervorragend. Besonders Crossley-Mercer konnte sich in die Herzen des Publikums singen und wurde mit besonders starkem Applaus bedacht. Das ist angesichts seines charismatischen Auftretens und seiner musikalisch präzisen und couragierten Leistung verständlich. Fuchs hatte sichtlich Probleme, sich im Ensemble mit ihren herausragenden Kollegen zu behaupten. Doch in den Solopartien, die nur von Tanz begleitet waren, offenbarte sie ihre Klasse: Zerbrechlich-zart, lieblich und feinfühlig intonierte sie Liebesleid und Agonie.
Alexandre Duhamel konnte durch seinen breiten, kernigen und herzhaften Bariton überzeugen. Besonders ergreifend und berührend wirkte das Zwiegespräch zwischen ihm in der Rolle als Huascar und dem makellos eingestellten Chor im zweiten Aufzug („Clair flambeau du monde“).
Die Sänger teilten die Bühne selbstlos mit den Tänzern der Tanzformation Ensemble Rualité (Choreografie: Bintou Dembélé), die die heimlichen Hauptdarsteller des Abends waren. Mehr als einmal durfte der Zuschauer atemlos mit ansehen, wie der bewegte Körper gemeinsam mit dem großartigen Gesang der Musik unbekannte Tiefen und Facetten abringen konnte. Unbestrittener Höhepunkt war ohne Zweifel die überkomplexe und explosive Choreografie zum Ende der Oper (Les Sauvages), die nicht nur das Publikum zu einem mehrminütigen Applaus animierte, sondern auch den Dirigenten, Leonardo García Alarcón, zu Respektsbekundungen hinreißen ließ.

Dieser leitete sein Ensemble „Cappela Mediterranea“ souverän und unprätentiös durch das Stück. Es war schon beim beherzten und ausdrucksstarken Vortrag der französischen Ouvertüre des Stückes zu merken, dass Musiker und Dirigenten Experten des barocken Repertoires sind. Eine großartige Dynamik, gerade in den dramatischen und bewegten Partien, Einsicht in die Spezifika der barocken Formenvielfalt, ein ausgeprägtes Gespür für die fragile Klangbalance des Orchesters sowie die nötige Rücksicht auf das Sängerensemble zeichneten das Dirigat Alarcóns aus.
Nach dem Verklingen des letzten Tons saß kein Zuschauer in der ausverkauften Opéra Bastille mehr auf seinem Platz. Die Sänger, Tänzer, das Orchester und der Regisseur wurden ausnahmslos mit großem Jubel bedacht für eine mutige, riskante, aber letztlich großartige Aufführung (Text: Lukas Baake, Foto: Copyright: Little Shao, ONP. Den Tänzern der Tanzformation Ensemble Rualité gelang es, in Rameaus Musik ungeahnte Tiefen aufzuzeigen).

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