Group Show „Die Zukunft der Zeichnung: Konzept. Das Neue in der Sammlung Etzold – Folge 3“ with Thomas Locher

03.02.2019 - 01.09.2019

Opening: Thursday, February 3rd, 2019, 12 am

Museum Abteiberg, Mönchengladbach

„Ideen allein können Kunstwerke sein. Sie sind Teil einer Entwicklung, die irgendwann einmal ihre Form finden mag. Nicht alle Ideen müssen physisch verwirklicht werden.“
(Sol LeWitt, „Sentences on Conceptual Art“, 1969)

Über einen Zeitraum von drei Jahren wird die Sammlung Etzold, die sich seit 1970 als Dauerleihgabe in Mönchengladbach befindet, unter dem Gesichtspunkt der Zeichnung in einer mehrteiligen Ausstellungsreihe neu betrachtet. Die Sammlung umfasst etwa 600 Exponate und beginnt bei den konstruktivistischen Avantgarden der 1920er Jahre. Sie hat ihren Schwerpunkt in Pop Art, Zero, Op Art, Minimal und Conceptual Art und anderen künstlerischen Bewegungen, deren Werke das Ehepaar Hans Joachim und Berni Etzold von den 1950er bis zu Beginn der 1970er Jahre in der Zeit ihres Entstehens ankaufte. Welche Relevanz hat die Zeichnung in diesen Jahrzehnten der Kunstgeschichte?
Der Zeichnung kommt seit der späten Renaissance in Italien eine besondere Bedeutung zu. Die Kunsttheorie beschrieb sie Ende des 16. Jahrhunderts als Ursprung von Malerei, Skulptur und Architektur, als das animierende Prinzip, das allen kreativen Prozessen zugrunde liegt (disegno); der schöpferische Funke zeige sich genau in dem Moment, in dem die Hand des Künstlers auf dem Papier zu zeichnen ansetzt. Diese Überzeugung war in der Künstlerausbildung bis ins 20. Jahrhundert von Bedeutung und schwingt unterschwellig vielleicht bis heute mit. Mit den radikalen und rapiden Veränderungen in der Kunst, die sich zunächst in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, dann in den 1960er Jahren in Europa und vor allem in den USA vollzogen, veränderte sich auch die Bedeutung, die Künstlerinnen und Künstler der Zeichnung zusprachen.

Die erste Folge KONSTRUKTION untersuchte die veränderte Rolle der Zeichnung in der konstruktivistischen Avantgarde in den 1920er Jahren sowie die Wiederkehr des Konstruktiven seit den 1960er Jahren. Die zweite Folge ALGORITHMUS (noch zu sehen bis 13. Januar) rückte das Konvolut der frühen Computergrafik ins Zentrum. In der Computergrafik waren es Zeichenautomaten, wie sie Mitte der 1960er Jahre für die Nutzung in Wirtschaft und Forschung auf den Markt kamen, die graphische Muster aufs Papier brachten, basierend auf zuvor von den Künstlerinnen und Künstlern programmierten Algorithmen – Künstler als Programmierer, die ein Konzept schreiben, das die Maschine ausführt. Damit ist die Brücke zur dritten und letzten Folge der Ausstellungsreihe geschlagen, die mit dem Begriff KONZEPT überschrieben ist und eine kleine Auswahl an Werken aus den 1960er und 70er Jahren von Marcel Broodthaers, Stanley Brouwn, Christo, Hanne Darboven, Walter de Maria, Marcel Duchamp, Michael Heizer, Sol LeWitt, Konrad Sieben und Timm Ulrichs zeigt.

Die Ausstellung fasst den Begriff „Konzept“ weit, geht aber zunächst von dem Jahrzehnt etwa zwischen 1965 und 1975 aus. Für diese Zeit ist der Begriff der „Conceptual Art“ prägend, wie ihn Sol LeWitt (1928-2007) in seinen theoretischen Schriften Ende der 1960er Jahre umriss. Mit der Skulptur Modular Piece (1966) ist ein Werk des US-amerikanischen Künstlers zu sehen. LeWitts künstlerische Denkweise und Formensprache erschließen sich vor dem Hintergrund der Minimal Art, in der modulare Elemente Neutralität versprachen, um als Bausteine für Variationen und Serien zu dienen. Conceptual Art / Konzeptkunst lässt sich in der durch ihn geprägten Auffassung so charakterisieren, dass die Idee mit der Ausführung eines Werks als gleichwertig zu betrachten ist. Wird die Zeichnung als künstlerisches Medium eingesetzt, dann erscheint sie nicht mehr als Ausdruck unmittelbarer Inspiration.
Sie nimmt etwa im Werk von Hanne Darboven (1941-2009) einen neuen Stellenwert ein, wie sich in Ohne Titel (I-Isp) aus dem Jahr 1966 nachvollziehen lässt, einer Zeichnung mit Bleistift und Kugelschreiber auf Millimeterpapier. Um die Mitte der 1960er Jahre basieren ihre Werke auf einer vorab von ihr festgelegten Systematik, die häufig von numerischen Relationen ausgeht und die sie dann zeichnerisch umsetzt. Konrad Sieben (*1946) stellt für seine Skulptur Elementstruktur (Gruppe Diagonal) von 1969/70 verschiedene Möglichkeiten zur Wahl, ihre Bestandteile – neun lose Aluminiumstreben – bei jedem Aufbau zu einer anderen Formation anzuordnen. In einem mit dem Objekt gleichberechtigt präsentierten Schaukasten befinden sich kleine Zeichnungen und winzige Papiermodelle als Anregung für Variationen. Hier ist Konzeptkunst ausdrücklich partizipativ; die Zeichnung dient als Anleitung zum Handeln.

Bei den Künstlerinnen und Künstlern der Land Art, die sich Ende der 1960er Jahre in den USA und in Europa entwickelte, stehen „Konzept“ und „Zeichnung“ in einem anderen Verhältnis zueinander. Den gigantischen Dimensionen der in der Natur ausgeführten Arbeiten von Michael Heizer (*1944) wohnt eine graphische Dimension inne, die sich in vorab gefertigten Zeichnungen auf dem Papier genauso zeigt wie in Fotografien der ausgeführten Werke aus der Vogelperspektive, die Gräben und Einschnitte auf dem Boden als Zeichnungen auf der Erdoberfläche erscheinen lassen. Mit Walter de Maria (1935-2013) ist ein weiterer Künstler der Land Art vertreten.

Durch eine völlig andere Erscheinungsweise zeichnen sich die Werke des Konzeptkünstlers Timm Ulrichs (*1940) aus, dessen Arbeit Das literarische Gesamtwerk 1968, Band I (1968) zu sehen ist: ein Plexiglaskasten, in dem zehn Meter eines abgespulten, durch den Künstler beschriebenen Schreibmaschinen-Farbbands aufbewahrt sind. In solchen Kunstwerken versteht die Ausstellung „Zeichnung“ gewissermaßen symbolisch: Zeichnung – traditionell an der Basis des kreativen, schöpferischen Akts – verlagert sich hin zu einer „Zeichnung im Geiste“, zur Idee als animierendes Prinzip.

Marcel Duchamp (1887-1986) ist mit dem Siebdruck Fliegende Herzen (1961) in der Ausstellung vertreten, vor dem Hintergrund, dass er ab Anfang der 1960er Jahre in den USA eine neue, große Popularität gewann und eine wichtige Inspiration für konzeptuell arbeitende Künstler wurde. Er hatte am Beginn des Jahrhunderts aus der Malerei des Kubismus heraus einen Ansatz entwickelt, in dem es weniger darauf ankam, das dargestellte Motiv mithilfe von malerisch-zeichnerischen Effekten zu vermitteln, als die Idee und das Prinzip des Dargestellten per se den Betrachtern kognitiv verständlich zu machen.

Die Schnittmenge der unterschiedlichen Positionen besteht darin, dass die individuelle handwerkliche Geste bei der Ausführung der Kunstwerke entweder eine geringere, oder im Verhältnis zur Konzeption gleichwertige Rolle spielt. Die Künstlerinnen und Künstler weisen die Idee eines „schöpferischen Funkens“ zurück, der nach traditioneller Auffassung im ausgeführten Werk ablesbar wäre. Die Vorstellung des Künstlers als Genie – ein Künstlerbild, das sich über Jahrhunderte tradiert hatte – tritt vor dem nun in den Fokus rückenden Prozess der Werkgenese zurück, in dem das Werk nach vorab definierten Handlungsanweisungen vom Künstler selbst, aber auch von Anderen ausgeführt werden kann. „Der Wille des Künstlers ist dem von ihm ausgelösten Prozess von der Idee zur Vollendung der Arbeit untergeordnet.“ (Sol LeWitt, „Sentences on Conceptual Art“, 1969)

In den 1960er Jahren entwickelte sich die Kunst rasant. Die Vielfalt der künstlerischen Medien wuchs an und viele künstlerische Bewegungen fanden gleichzeitig und mit fließenden Übergängen statt. Die auf wenige Werke konzentrierte Kabinettausstellung in der Gartenebene des Museums Abteiberg geht in diesem Sinne über in die Sammlung des Museums, die sich durch besondere Schwerpunkte in den 60er Jahren auszeichnet. So schließen sich einige neu eingerichtete Sammlungsbereiche an, die im Bezug zu den gezeigten Werken der Sammlung Etzold stehen. Neben Objekten und graphischen Arbeiten von Marcel Duchamp liegt ein Fokus auf der Minimal Art mit einem frisch restaurierten Werk von Donald Judd (Brass, 1969, Restaurierung 2018 mit Förderung durch das Restaurierungsprogramm Bildende Kunst des Landes Nordrhein-Westfalen) und einem Raum mit Werken des Ende November 2018 verstorbenen Minimal Art-Künstlers Robert Morris, der 2009 im Museum Abteiberg mit einer umfassenden Ausstellung vertreten war.

Als Teil der Ausstellung wird auch eine zeitgenössische Position gezeigt, die ein Schlaglicht auf konzeptuelle künstlerische Ansätze in der Gegenwart wirft. Thomas Locher (*1956) führt anlässlich der Ausstellung seine Wandarbeit Imperative / Aufforderungen, Befehle und Kommandos (Konzept: Firminy, 1993) an einem neuen Ort auf: dem Museumscafé. Es handelt sich dabei um eine Wiederaufführung einer Arbeit, die er 1993 für den Wohnkomplex Unité d´Habitation von Le Corbusier in Firminy entwickelte und die im Jahr 2012 als Schenkung aus Privatbesitz in die Sammlung des Museums Abteiberg einging. Foto: Thomas Locher: „G.HANG“, 2017.

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