In ihrer siebten Einzelausstellung Post Modern Classic in der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff präsentiert die französische Künstlerin Anne-Lise Coste sowohl die Bandbreite ihrer künstlerischen Praxis als auch deren große Kohärenz.

Die Postmoderne hat uns das Ende der großen Erzählungen und globalen Mythen gelehrt, die uns hätten helfen können, in dieser Welt einen Sinn, ein Ziel, eine Verhaltensweise zu finden.

Wir sind jetzt uns selbst überlassen. Versuchen, mit dem weiterzumachen, was wir haben. Die Arbeiten von Coste zeigen, was übriggeblieben ist: Farben, Ketten, Müll, Schutzmasken, Plastiktüten, Werbeschilder, Liebe, Gestenfreiheit, Bäume.

Man kann ihre Arbeit als ein Konzept der Kunstgeschichte ansehen, wie der Titel der Ausstellung Post Modern Classic mit abstraktem Expressionismus andeutet – überall Sprühfarbe und Graffiti. Aber ihre Arbeiten sind auch Reaktionen auf die Welt, ihre Brutalität, ihre Schönheit, ihre Überreste.

Durch die große Vielfalt der Medien, welche die Künstlerin nutzt, zeigt sich neben der Unmittelbarkeit immer noch die Spontanität. Die verwendeten Techniken erlauben keine Korrektur. In all ihren Arbeiten kann man ihre künstlerische Geste sofort erkennen, als ob es nichts zu verbergen gäbe – keine Raffinesse, keine mögliche Anordnung, wie auf der Suche nach Authentizität mit ihrer Zerbrechlichkeit und ihrer naiven Poetik. Die Gitterbilder, die Ketten als Pochoir nutzen, verwenden dieses Symbol der Gefangenschaft, um es zu einem einfachen Zeichen zu verankern und deren Farben zu einem Regenbogen zu organisieren oder zu einem perfekten einfachen schwarzen Kreis, einer Null, einem Symbol der Leere sowie zu einem Versprechen verwandeln, welches sich erfüllen kann. Bei ihren Kettenbildern scheint es, als wäre diese strenge geometrische Organisation nur dazu da, um besser zu begreifen.

Andere Kunstwerke auf Leinwand werden mit ihrer bunten und lebendigen Sprühtechnik einfach an die Wand getackert. Sie breiten sich auf dem Boden als Installation aus und dienen als „Tischdecke“ für verschiedene Abfälle wie Masken, Plastikflaschen oder Damenbinden. Diese Werke sind Aussagen dessen, was ist, Aussagen über unsere Macht- und Hilflosigkeit, über unseren Versuch, mit dem, was wir haben, zurecht zu kommen. Wir können versuchen, das Ganze verschönernd darzustellen, aber dennoch bleibt es schmutzig, kontaminierend. Und dieser Müll stammt von dem, was die Hygienegesellschaft geschaffen hat, um uns angeblich zu schützen, um uns zu desinfizieren.

Anne-Lise Coste zeichnet in ihren künstlerischen Arbeiten auch mit Bleistift auf großen weißen Flächen, die ebenso mit Sprühfarbe und Collagen aus Fragmenten von Plastiktüten mit Marken-Symbolen geschmückt sind. Auf einem Werk zeigt sich der Bleistift wie die Spur eines Seismografen – eilig hebt und senkt er sich. Die hektischen Linien zeichnen eine unruhige Landschaft, umgeben von grün gemalten Flecken, die bedrohlich wirken. Etwas widersetzt sich auf eine zerbrechliche, und beunruhigende Weise. Diese Werke, wie die meisten von Anne-Lise Coste, befinden sich in Spannung. In einem Alarmzustand – als eine Art Notfall-Signal. Aber sie beinhalten auch die Zeichen für den Ausweg aus der Alarmbereitschaft, die Gründe zu lächeln und um wieder aufzustehen.

Je t’aime, 2021 sowie die anderen großen Leinwände von Anne-Lise Coste fungieren wiederum als Zeichen der Hoffnung, da sie uns Liebe und Schönheit auf ihre einfache, einleuchtende Weise präsentieren. Wir müssen uns der Schätze bewusst sein, ungeachtet dessen, was uns umgibt, dessen wir uns sicher sein müssen. Es ist das, was uns bleibt, zuvorderst und vor allem (Text: Pauline Faure, Leitende Kuratorin, MO.CO. Montpellier Contemporain, Übersetzung ins Deutsche: Cornelia Schuster).

Parallel zur Einzelausstellung Post Modern Classic in der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff präsentiert das Kunsthaus Baselland in Muttenz/Basel, Schweiz, eine große Einzelausstellung Anne-Lise Coste.Poem Police der Künstlerin vom 8. April bis zum 17. Juli 2022.

Anne-Lise Coste (*1973 in Marseille, Frankreich) lebt und arbeitet in Südfrankreich. Sie stellte unter anderem im Centro Botín – Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst in Santander/Spanien, im Museu de Arte Contemporânea de Serralves in Porto, im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, in der Susanne Hilberry Gallery in Detroit, der Anton Kern Gallery und der Nicole Klagsbrun Gallery in New York, in der Kunsthalle Lingen, im Helmhaus und Kunsthaus in Zürich sowie im Kunsthaus Baselland in Muttenz/Basel aus.

Ihr künstlerisches Werk wurde in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, wie zum Beispiel 2003 Anne-Lise Coste. Non im Patrick Frey Verlag, 2006 Annelise Coste. 18 Heads of 2006 von Heiner Schepers für den Kunstverein Lingen, 2008 Institucional and Poetic Violence. Anne-Lise Coste, Tatjana Doll and Erik van Lieshout für die gleichnamige Ausstellung im Museu Serralves, Porto, Portugal, 2008 Anne-Lise Coste. Remember von Anne-Lise Coste und Ulrich Loock, 2014 Anne-Lise Coste. Où suis-je von Serena Qiu sowie 2017 Anne-Lise Coste. Oil Paintings and Pastel drawings in Zusammenarbeit mit dem Helmhaus Zürich, Lullin+Ferrari und dem Nieves Verlag.

Zum Soft Opening laden wir Sie herzlich am Freitag, den 25. März 2022, von 14 bis 20 Uhr ein.

*Abbildung: Anne-Lise Coste Post Modern Classic, 2022, Sprühfarbe auf Sommerkleid, Bildnachweis: Nikos Markou.