„Aber gewiss für die Gegenwart, welche das Bild der Sache, die Kopie dem Original, die Vorstellung der Wirklichkeit, dem Schein dem Wesen vorzieht… heilig ist ihr nur die Illusion, profan aber die Wahrheit. Die Heiligkeit steigt in dem Maße, wie die Wahrheit ab- und die Illusion zunimmt, so dass der höchste Grad an Illusion zum höchsten Grad an Heiligkeit wird.“― Ludwig Andreas von Feuerbach (1804 – 1872) in „Das Wesen des Christentums“, 1841.

Die Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff freut sich, die zweite Einzelausstellung Lies and Illusions des italienischen Künstlers Gioele Amaro (*1986 in Reggio Calabria, Italien) zu präsentieren. Zwischen Paris und Mailand lebend definiert er sich selbst als digitalen Maler, denn er behandelt die Pixel genauso geschickt, wie ein Maler die Leinwand mit seinem Pinsel, obwohl Amaro keinen realen Pinsel schwingt.

Amaros Werke repräsentieren ein Crossover verschiedener künstlerischer Prozesse der realen sowie digitalen Welt. Aus einem digitalen, entmaterialisierten Kunstwerk auf einem Tablet wird ein reales, physisches Gemälde auf einer Leinwand. Real und virtuell, atmosphärisch und fließend im digitalen Raum zu materiell und haptisch im Realen – seine künstlerischen Arbeiten zeichnen sich durch eine perfekte Illusion sowie anamorphe, vereinfachte Formen und virtuelle dreidimensionale Effekte aus. In seinen Werken werden die Welten miteinander vereint – die reale und die digitale. Die kreativen Möglichkeiten, die einem Künstler in der physischen Welt zur Verfügung stehen, erscheinen als nichts im Vergleich zu der außergewöhnlichen Fülle von digitalen Simulationen in der digitalen Welt. Das digitale Universum ahmt perfekt und täuschend echt die Realität nach. Wir erleben also einen Rollentausch und ein konsequentes Streben nach Virtualität in der Kunstwelt, um die perfekte Perfektion hervorzurufen. Das Natürliche und das Virtuelle verschmelzen miteinander und virtuell erstellte Illusionen beginnen mit unseren realen Sinnen zu spielen.

In Lies and Illusions wurden die Motive des Impressionismus und des Expressionismus zu einer visuellen Chimäre vom Künstler zum Leben erweckt. Seine Werke stellen die Geschichte der Malerei in Frage, indem sie eine neue Konversation in der Kunstgeschichte in Gang bringen. Darf man digital entstandene Kunstwerke tatsächlich mit „echten“ Kunstwerken vergleichen, denn die Möglichkeiten, welche die heutigen Technologien bieten, sind denen der traditionellen, künstlerischen Mittel weit überlegen. Amaro irritiert und beeinflusst den Realitätssinn des Betrachters in seinen Werken so sehr, dass dieser sich immer wieder die Fragen stellen muss, ob seine Wahrnehmung ihn täuscht oder ob es sich bei seinen Kunstwerken tatsächlich um klassische Malerei oder um einen digitalen Ausdruck auf Leinwand handelt (Text: Gioele Amaro und Cornelia Schuster, Übersetzung ins Deutsche: Cornelia Schuster).

Zur Eröffnung laden wir Sie herzlich am Freitag, den 24. März 2023, von 18 bis 21 Uhr ein.