Group show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg
11.06.2021 - 29.07.2021
Der Begriff Fragment nimmt in der Entwicklung des frühromantischen Denkens eine wichtige Rolle ein. Das Bruchstückhafte und Unvollendete als Zeichen und zugleich Werkzeug einer unendlichen Annährung an das Absolute. Der Künstler, der bewusst ein fragmentiertes, unvollständiges sowie unvollendestes Werk hinterlässt, gibt dem Betrachter den Freiraum, oder fordert diesen bewusst dazu auf, dieses in seinen Gedanken zu vollenden. Das Fragment als Mittler, als Dialog zwischen Künstler und Betrachter, sodass die gegenseitige „geistige Fäulnis“ überwunden werden kann, so Karl Wilhelm Friedrich Schlegel (*1772, †1829, ein deutscher Schriftsteller und Philosoph der Romantik). Kunstwerke werden geschaffen, die niemals abgeschlossen sein werden, sondern stetig in den Menschen fortschreiten, sich erweitern oder weiterentwickeln. Kunst, die zum Denken, zum Nachdenken anregen soll.
Fragmente einer Romantik beschreibt die fragmentarischen Gefühlswelten von drei jungen Künstlern, die in einer Zeit des Egoismus’ und Individualismus’ des 21. Jahrhunderts an der Idee eines modernen Romantizismus festhalten. Fragmente einer Romantik in Bezug auf Roland Barthes’ Buch Fragments d'un discours amoureux (*1915, †1980, ein französischer Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts), in dem Barthes 1977 mit 80 Stichworten die Wirren der Liebe mit ihren Abhängigkeiten bis zu deren Zugrundegehen darlegt. Die Sehnsucht nach Leidenschaft, Abenteuer, Liebe, die Suche nach den gewaltigen Gefühlen sind und bleiben die großen Begierden der Menschheit. Eine Generation von Künstlern geprägt von apokalyptischen Vorhersagen, Verschwörungstheorien, Extremismus und Terror, die alle eins verbindet, die Sehnsucht sowie die Jagd nach dem Absoluten, dem Optimum, dem Extremen, den vermeintlich verloren gegangenen großen Gefühlen und Werten der Menschheit. Mit der Ungewissheit lebend, was erwartet uns morgen!
In seinen figurativen Arbeiten bietet Arthur Metz (*1988 in Lyon, Frankreich) intime Einblicke in das Leben junger Menschen. Seine Aquarelle und Gemälde auf Holzpaneelen zeigen sowohl das aktuelle politische Zeitgeschehen, als auch Erzählungen aus eigen erlebten Erfahrungen, die den Zeitgeist seiner Generation widerspiegeln. Seit Anbeginn ist der Mensch zwischen Liebe und Gewalt, der Täter- und Opferrolle, hin- und hergerissen, dies zeigt sich auch in der künstlerischen Arbeit von Metz. In einem seiner Aquarelle thematisiert er den Berliner Treppentreter (U-Bahn Treter, 2021), der eine ihm fremde junge Frau mit einem Tritt in den Rücken die Treppe zur U-Bahn hinuntergetreten hat. In Killesberg, 2021 präsentiert er wiederum ein Pärchen, welches in den Abendstunden den Ausblick über dem lichtdurchfluteten Stuttgart genießt. Für den Betrachter auf den ersten Blick ein scheinbar zarter und romantischer Moment, der aber auch auf eine bedrohliche Feinstaubwolke sowie auf die Sünden der Stadt hinweist. Metz’ Arbeiten beschäftigen sich mit der Verwundbarkeit im zeitgenössischen öffentlichen und privaten Leben und dem Begriff der Gemeinschaft im Kontext einer seltsamen, diasporischen Identität.
Charlotte Denamurs (*1988 in Paris, Frankreich) große installativen und farbenprächtigen Arbeiten auf Textil wirken im Vergleich zu Metz’ Arbeiten auf den ersten Blick spielerisch leicht und naiv. In ihrem Atelier legt sie die Leinwand auf den Boden, bearbeitet sie direkt und tränkt sie mit Farbe – als physische und sensorische Erfahrung ihres künstlerischen Schaffens. Sie experimentiert, nichts ist geplant, sie gibt ihrem künstlerischen Schaffen Raum zur Entfaltung, lässt sich auf den Prozess des Zufalls ein und fügt sich diesem auch. Sie beobachtet den fließenden Zustand der Materie Farbe, wie diese die textile Oberfläche durchdringt, mit der Zeit verdunstet und ihre Spuren hinterlässt. Die Künstlerin gibt die Kontrolle ab und lässt sich treiben bis sie eine Aufgabe in dem künstlerischen Prozess entdeckt, somit wieder übernimmt und aus den farbigen Leinwänden, Elemente formt und schneidet. Vermeintliche Spuren des Zufalls, kleine Ungeschicklichkeiten werden zu Elementen ihrer künstlerischen Genese. Nichts wird verschwendet, alles wird recycelt bis hin zu den kleinsten Pigmentkrümeln, die sie in Gläsern aufbewahrt. Eine Art künstlerisches Ökosystem. Das textile Material erzeugt Falten und Formen, dehnt sich weg von der Wand in den Raum und eröffnet dem Betrachter so ein poesievolles Spiel mit dem Umraum. Ihre Arbeiten ragen von der Decke, hängen an den Wänden oder führen den Blick des Betrachters über den Boden. Denamurs installative Arbeiten besitzen eine gewisse Leichtigkeit, die sich anmutig über den Raum ausbreitet. Ihre Arbeiten kennzeichnet eine minimalistische Formensprache, die mit der örtlichen und räumlichen Veränderung, in ihrer Bewegtheit selbstbezogen, absichtslos und indifferent erscheinen.
Dóme Scharfenbergs (*1988 in München, Deutschland) Werke aus Pastellkreide, Stiften und Öl verdichten Wege, die an Orte führen, welche hinter einer vermeintlichen Realität verborgen liegen. Von der Zeichnung kommend wandte sich Scharfenberg über die Jahre vermehrt der Malerei zu, um zuletzt die Ambivalenz des Pastells in seiner Gratwanderung zwischen den beiden Welten – Zeichnung und Malerei – aufzunehmen, zu verinnerlichen und schließlich diesen Zwiespalt in seinen künstlerischen Werken herauszustellen. Der Künstler schafft Arbeiten einer ganz besonderen Fragilität, die schon im losen Charakter der Pastellpigmente ihren Anfang nimmt. Das Pigment – ein Bruchstück, ein Fragment – als Teil eines großen Ganzen. Durch die Schichtung mehrerer Pigmente, die sich zu Farbflächen formen und durch deren zeichnerische Bewegung sowie der daraus entstehenden Komposition öffnen sich dem Betrachter Bildwelten, die sich einer eindeutigen Bestimmung oder Kartographie entziehen. Unendliche Pigmente und Stimmungen vereinen sich zu einer vollendeten Umgebung, die über Technik und Bildträger hinausführen. Scharfenbergs Werke werden aus der Kraft spezieller Stimmungen gespeist, die in den farbflackernden Korridoren einer Ahnung Wurzeln schlagen und im Wandel des Lichts aufkeimen (Text: Cornelia Schuster).
Zum Soft Opening laden wir Sie herzlich am Freitag, den 11. Juni 2021, von 14 bis 20 Uhr ein.
The term fragment plays an important role in the development of early romantic thinking. The fragmentary and the unfinished as sign and at the same time (tool) method for approaching the absolute. The artist who deliberately leaves a fragmented, incomplete oeuvre behind, as well as mostly incomplete works, gives the viewer the freedom, and consciously prompts him to complete the work in his mind. According to Karl Wilhelm Friedrich Schlegel (*1772, †1829, a German writer and philosopher of Romanticism) the fragment serves as mediator in a dialogue between artist and viewer, to help overcome mutual "mental decay". This movement seeks to stimulate thought and reflection through works of art that are created to never be finalized but instead continue to develop and transform in the viewer's mind.
Fragments of a Romanticism describes the fragmentary emotional worlds of three young artists working to hold on to the idea of modern romanticism in this time of egoism and individualism of the 21st century. The exhibition title refers to the French writer and philosopher Roland Barthes' (*1915, †1980) book A Lover's Discourse. Fragments, from 1977, in which Barthes presents the reflections of a lover seeking to identify signs by which to show and receivelove. The longing for love, passion, adventure and the search for intense feelings are, and will remain, the great motivations of mankind. This generation of artists is shaped by apocalyptic predictions, conspiracy theories, extremism andterror, which all have one thing in common, the longing and the quest for the absolute, the optimum, the extreme, thesupposedly lost great feelings and values of humanity, while living with the uncertainty of whatawaits us tomorrow!
In his figurative works, Arthur Metz (*1988 in Lyon, France) offers intimate insights into the lives of young people today. His watercolors and paintings on wooden panels show current political events as well as stories from personal experiences that reflect the Zeitgeist of his generation. Since the beginning of time, man is torn between love and violence, the role of perpetrator and victim, and these themes are explored in his work. In one of Metz' watercolors he depicts the violent Berlin youngster (U-Bahn Treter, 2021), who in rage kicked a random young woman down the stairs of the subway station. In Killesberg, 2021, on the other hand, he paints a couple who, in the evening hours, take in the view over the light-flooded Stuttgart – a seemingly poetic and romantic moment. But a threatening cloud of fine dust lingers over this scene and evokes the ever-present sins of a big city. Metz' work exposes vulnerability in contemporary public and private life and the concept of community in the context of a strange, diasporic identity.
Charlotte Denamur's (*1988 in Paris, France) large, colorful installations on textile appear playful and naive at first glance compared to Metz' paintings. She works directly with the canvas on the studio floor and soaks it with color – as a physical and sensory experience. She gives her work space to develop, she experiments, gets involved in the process of chance and also fits herself into it. She observes how the fluid color penetrates the textile surface, evaporates over time and leaves its traces. She relinquishes control and lets herself be carried away until some intervention in the artistic process is called for to interact with forms and elements from the colored canvases. Leftover traces of chance gestures and small misplacements become elements of her artistic genesis. Nothing is wasted, everything is recycled down to the smallest pigment particles that she keeps in jars. A kind of artistic ecosystem. The textile material creates folds and shapes, stretching out away from the wall into the exhibition space and opens up a poetic field of vision for the viewer. Some works extend out from the ceiling, hang on the walls or lead the beholder's gaze across the floor. Denamur's installation works have a certain lightness that spreads gracefully across the room, characterized by a minimalist design language that is self-referential and appears unintentional or indifferent to local and spatial change.
Dóme Scharfenberg's (*1988 in Munich, Germany) pastel chalk, pencils and oil compositions lead to places that are hidden behind an apparent reality. Over the years, Scharfenberg turned from primarily drawing to painting, eventually incorporating pastel to absorb, internalize and highlight conflict in a kind of tightrope walk between the two worlds – of drawing and painting. The artist creates a work of a special fragility that starts with the powdery character of the pastel pigments, where the pigment is indeed a fragment as part of a larger whole. By layering several pigments to form color areas, adding definition and energy with graphic movement, Scharfenberg's resulting composition presents imagery that eludes a clear definition or definitive outline. Color pigments and atmosphere unite to create an emotional environment that goes beyond technology and images. Scharfenberg's works are powered by color-flickering corridors of light, generating special moods and premonitions(text: Cornelia Schuster; translation to English: Elisabeth Hauff.)
We cordially invite you to the soft opening on Friday, June 11th, 2021 from 2 to 8 pm.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Exhibition view: Fragmente einer Romantik. Group Show featuring Charlotte Denamur, Arthur Metz, Dóme Scharfenberg, 2021, photo: Bernhard Kahrmann.
Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff
Paulinenstr. 47
D – 70178 Stuttgart
Opening Hours:
Tuesday – Friday: 1 – 6 p.m.
and by appointment
Winter Break:
The gallery is closed from 21.12.2024 until 07.01.2025